Arbeitskreis andere Geschichte e.V.

1. Mai 1933. Die Werkstraße zum Hauptausgang der MIAG, damals Roßstraße, später Ernst Amme-Straße.

Foto: Sammlung Löffelsend

Zur Teilnahme am Feiertag der nationalen Arbeit waren Arbeiterschaft, Angestellte und Direktionen aufgerufen. Es war 7 Uhr morgens – die ursprüngliche Abmarschzeit um 8 Uhr war verändert worden, damit die Teilnehmenden rechtzeitig auf dem Kundgebungsplatz, dem Leonhardplatz, eintrafen, um eine Radioübertragung von der zentralen Kundgebung in Berlin gemeinsam verfolgen zu können. Noch waren viele Fragen auf dem Weg in die nationalsozialistische Diktatur nicht geklärt. Die Reichsregierung der „nationalen Revolution“ war eine Koalitionsregierung, die auf die Einbindung der konservativen Kräfte setzte. Die Arbeiterparteien waren bereits verboten. In der MIAG war die Lage zusätzlich unübersichtlich. Die Arbeiterschaft war seit Jahrzehnten in Freien Gewerkschaften organisiert und stand links. Bei den letzten Betriebsratswahlen hatte die Revolutionäre Gewerkschaftsorganisation Erfolge errungen und stellte mit Hermann Böhme den Vorsitzenden des Arbeiterrats. Die Betriebsräte waren aber Mitte April durch einen Verfügung des Innenministers abgesetzt worden. Die Freien Gewerkschaften waren noch nicht verboten und ihre Zukunft ungeklärt. Allerdings war in Braunschweig das Volksfreundgebäude, in dem die Freien Gewerkschaften ihre Büros hatten, bereits am 9. März 1933 gestürmt worden. Am 27.3. war das AOK-Gebäude besetzt worden und es fanden Massenverhaftungen von Nazigegnern statt. 515 Personen befanden sich am 12.4. offiziell in sogenannter Schutzhaft. Verhaftungen von Anhängern der Arbeiterparteien häuften sich in den folgenden Wochen, unter ihnen viele Werksangehörige der MIAG. Allerdings kam es auch noch zu Widerstandsaktionen – so durch junge KJVD-Angehörigen vor dem 1. Mai, die im Westlichen Ringgebiet Parolen auf Mauern gemalt hatten.

Offenbar war den nationalsozialistischen Organisatoren der Maikundgebung daran gelegen, in dieser Situation nicht durch Machtdemonstrationen in der MIAG zu provozieren, sondern die Demonstration von nationaler Einheit in den Vordergrund der öffentlichen Kundgebung zu stellen.

perspektiveswr fahneSanitäterlinke marschkolonnerechte Marschkolonne

Kommentare

Noch keine Kommentare vorhanden.