Der Kampf um die Straße

Die paramilitärischen Formationen der Weimarer Republik (Stahlhelm, Reichbanner, SA und Rot-Frontkämpfer-Bund) präsentierten sich der Öffentlichkeit als uniformierte Marschkolonnen, um durch Ordnung und Disziplin zu beeindrucken. Die SA nutzte diese Form der Kundgebung am häufigsten und am aggressivsten. Mit fast wöchentlich stattfindenden „Werbemärschen“, oft mit Spielmannszug und martialischem Gesangsgut, okkupierte sie immer weitere Teile von Stadt und Land. Für Anhänger der Linksparteien war die wachsende Präsenz der Nationalsozialisten eine Provokation, der sie insbesondere dann mit Abwehraktionen begegneten, wenn die SA in Arbeiterstraßen einmarschierte.

Der Kampf um das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit wurde, vor allem in den Wahlkämpfen des Jahres 1932, durch das Aushängen von Fahnen bestritten: Neben dem republikanischen Schwarzrotgold gab es das kaiserliche Schwarzweißrot, die Hakenkreuzfahne und die drei Pfeile der Eisernen Front, die den Zusammenschluss von Sozialdemokratie, Gewerkschaften und Arbeitersport symbolisierten.

In der polarisierten Atmosphäre kam es oft  zu handgreiflichen Konflikten. Gezielte Störungen bei politischen Kundgebungen häuften sich. Die Parteien bauten ihren Saalschutz aus. SA und SS unterhielten sogar kasernierte ständige Formationen, wie z.B. in der SA-Schule in Kreiensen, die mit LKWs zu gegnerischen Versammlungen fuhren.

Das Ausmaß an Gewalt forderte Todesopfer. 1931 wurde der SA-Mann August Sievers von einem Polizisten tödlich angeschossen, als es bei einem Werbemarsch der Braunschweiger SA in Peine zu einem Zusammenstoß mit KPD-Anhängern kam. Oktober 1931 folgten zwei Todesopfer beim SA-Aufmarsch in Braunschweig, Anfang 1932 der Reichbannermann Kurt Meier. In Hasselfelde wurde im Juli der Reichsbannermann Fritz Müller getötet. Im August 1932 kam der SA-Führer Axel Schaffeld in der Nähe der Friesenstraße ums Leben, als ein SA-Trupp spät nachts zwei vermeintliche Kommunisten zusammenschlug und sich plötzlich einer bewaffneten Gruppe Anwohner gegenübersah. Im Februar 1933 wurden zwei Personen von Polizisten bei einem SA-Propagandamarsch in der Braunschweiger Innenstadt erschossen. „Rotmord wütet immer noch“ titelte die Braunschweigische Landeszeitung, als Ende Juni 1933 der SS-Hilfspolizist Gerhard Landmann erschossen wurde, wie später nachgewiesen wurde, von eigenen Leuten.

Die Beerdigungen der Toten der Auseinandersetzungen waren politische Demonstrationen. Die NSDAP steigerte dieses nach der Machtübernahme zu einem Totenkult, wie z.B. durch die Anbringung der Namen ihrer Toten in einer Ehrenhalle im 1937 erbauten Gemeinschaftshaus der Siedlung Mascherode.