Gegenwelten: Die „Roten Falken“ und das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“

Die Braunschweiger Arbeiterschaft bildete ein stabiles soziales Milieu, das sich der Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus vorerst entzog. Organisationen der Arbeiterbewegung leisteten entschiedenen Widerstand gegen den Vormarsch der politischen Rechten. Zwei Vereinigungen, die in Braunschweig von Bedeutung waren, werden hier vorgestellt:

1924 entstand die sozialdemokratische Erziehungsorganisation „Die Kinderfreunde“. Mit ihren Falken-Gruppen entwickelte sie eine erfolgreiche Jugendarbeit, die Anfang 1932 mehr als 1400 Kinder im Freistaat erreichte. In ihrer Arbeit verband die Organisation sozialistische Weltanschauung mit lebensreformerischen Einstellungen. Arbeiterkinder sollten zu selbstbewussten Personen heranwachsen. Die Einübung demokratischer Willensbildung war dabei ebenso ein wichtiges Ziel wie das Zusammenleben von Mädchen und Jungen.

Neben Nestabenden der Falken und Fahrten am Wochenende gehörten die Kinderrepubliken, große Zeltlager im Sommer, zu den Angeboten. Mit der Revue „Rote Falken Völker-Tanz“ warben die Kinderfreunde  noch im Februar 1933 im überfüllten Gesellschaftshaus „Hofjäger“ für den Gedanken der Völkerverständigung. Am 27.3.1933 wurden die Kinderfreunde - wie alle Arbeiterjugendorganisationen - vom Braunschweigischen Innenminister Klagges verboten.

Mitte 1924 wurde in Braunschweig eine Ortsgruppe des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold gegründet. Die Bildung der republikanischen Schutzorganisation, die sich eindeutig zum Weimarer Staat bekannte, war eine Reaktion auf die Erfolge des Stahlhelms, Bund der Frontsoldaten. Teilnehmern des Ersten Weltkriegs sollte eine Alternative zu diesem rechten Veteranenverband geboten werden. Das Reichsbanner war überparteilich angelegt, doch war die übergroße Mehrheit der Mitglieder sozialdemokratisch orientiert. 

Anfang der 1930er Jahre übernahm das Reichsbanner immer häufiger die Funktion, politische Veranstaltungen der SPD zu schützen. Spezielle „Schutzformationen“ wurden auch militärisch ausgebildet. Zur körperlichen Ertüchtigung sollte der Wassersport beitragen, weswegen 1931 im Bürgerpark ein Bootshaus errichtet wurde. Ein „Jungbanner“ hatte Erfolge bei der Organisation junger Arbeiter.

Nach dem Verbot des Reichsbanners am 9.3.1933 versuchte die örtliche Reichsbannerführung, ihre Mitglieder vor Gewalttaten dadurch zu schützen, dass man gemeinsam in den mit der NSDAP verbündeten Stahlhelm eintrat. Doch die NS-Machthaber erfuhren von diesem Vorhaben und besetzten die Allgemeine Ortskrankenkasse, wo sich 1300 Reichsbannerleute versammelt hatten. Die SA verwandelte das Krankenkassen-Gebäude zu einem Haft- und Folterzentrum.